Act against Aids

«Das Projekt ist eine Inspiration»

Matthias Widmaier, der neue Direktor der Newlands Clinic, ist seit Oktober 2014 in Harare. Im Interview erklärt er, wie es ihm in den vergangenen Monaten ergangen ist und was ihn am meisten überrascht hat.

Der neue Klinikdirektor Matthias Widmaier im Gespräch mit Mitarbeitenden.

Matthias Widmaier, Sie sind nun seit neun Monaten in Harare. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an den ersten Tag in der Newlands Clinic zurückdenken?
Das ist ganz klar die fröhliche und auch laute Aufnahme des gesamten Teams, mit Klatschen und Gesang. Das war eine kleine Feier, die ich so nie erwartet hätte!

Sie leben seit 2003 in Afrika. Was hat Sie dazu bewogen? Sind Sie ein abenteuerlustiger Mensch?
Nach Uganda zu ziehen war damals ein Entscheid der ganzen Familie. Meine Ex-Frau hatte durch ihr Studium der Afrikanischen Sprachen schon einen Bezug zum Kontinent und wir hatten gemeinsam sechs Monate in Ghana verbracht. Natürlich spielte dabei auch eine gewisse Abenteuerlust eine Rolle: Wir wollten neue Länder und Kulturen verstehen, von ihnen lernen und auch etwas zurückgeben. Es ist mir wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen.

Vorher Uganda, nun Simbabwe: Wie gross war die Umstellung?
Die Menschen sind in beiden Ländern sehr freundlich und herzlich. Ein grosser Unterschied ist aber, dass viele Teile der Bevölkerung Simbabwes schon bessere Zeiten gesehen haben, während sich Uganda über die letzten Jahre aus dem totalen Chaos einigermassen stabilisiert hat. Das spiegelt sich im Zufriedenheitsniveau der Menschen wider, das in Uganda höher ist. Infrastrukturell ist Simbabwe hingegen wesentlich besser gestellt, vor allem wenn es um den Strassenverkehr und die damit verbundenen Gefahren geht.

Was hat Sie dazu bewogen, die Stelle als Direktor der Newlands Clinic anzunehmen?
Nach zehn Jahren Uganda und zwei erfolgreichen Projekten war es Zeit, die Stelle zu wechseln, denn bei meinem früheren Arbeitgeber, der Christoffel Blindenmission, werden Auslandeinsätze im Turnus gemacht. Ich stand vor der Entscheidung, wieder nach Deutschland zurückzugehen oder weiter im Ausland zu bleiben. Letztlich war das berufliche Angebot in Harare sehr verlockend: Es war inhaltlich am vielfältigsten, und das Projekt und Ruedi Lüthy als Mensch sind eine Inspiration.

Und was hat Sie am meisten überrascht?
Das ist die hohe Eigenmotivation der Mitarbeitenden, die weit überdurchschnittlich ist. Ruedi Lüthy hat da ein sehr gutes Händchen!

Hatten Sie vorher schon Kontakt mit dem Thema HIV?
In Uganda war ich im Behindertenbereich und in der Rehabilitation tätig. Da gab es natürlich auch viele Patienten mit HIV, aber in der Verwaltung hatte ich damit weniger zu tun. Ich empfinde es als eine grosse Bereicherung, dass ich mich nun täglich damit auseinandersetzen kann, und lerne jeden Tag dazu. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung, um die tägliche Motivation zu haben, die Leitung im Sinne der Sache zu gestalten.

Gibt es ein besonderes Highlight aus den ersten Monaten?
Die ersten Monate waren als Ganzes ein Highlight, insbesondere der Umgang im Team und die von Respekt geprägte Arbeitskultur sowohl in Simbabwe als auch in der Schweiz. Was für mich sehr wichtig ist, sind die Gespräche und Aktivitäten mit Mitarbeitenden und die Besuche an der Basis bei den Patienten. Es hilft sehr, um sich immer wieder zu erden und Geschehnisse zu relativieren. Ein weiteres Highlight sind die wöchentlichen Diskussionsrunden hauptsächlich unter medizinischem Personal: Dort werden auf gutem Niveau Probleme humorvoll und offen diskutiert.

Was sind die grössten Herausforderungen?
Auf beruflicher Ebene ist die grösste Herausforderung, das richtige Tempo zu finden, um notwendige Veränderungen im Arbeitsbereich überzeugend darzulegen, ohne Angst oder Überforderung auszulösen. Da muss ich mich manchmal bremsen. Für mich persönlich ist die grösste Herausforderung, dass meine drei Kinder in Deutschland leben. Aber durch moderne Kommunikationsmittel kann man dem glücklicherweise besser begegnen als noch vor ein paar Jahren.

Welche Ziele haben Sie für 2015?
Ich möchte weiter Fuss fassen und bis Ende Jahr das gesamte Mosaik der Klinik und der Stiftung in der Schweiz verstehen. Ich bin in den letzten Monaten auch gereist, um das Land und die Leute besser kennenzulernen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um anzukommen. Ich würde sagen, ich hab mich mittlerweile zu 90 Prozent eingelebt.