Act against Aids

Psychologische Unterstützung für Jugendliche mit HIV

Viele Jugendliche und junge Erwachsene hadern mit ihrer HIV-Infektion und der lebenslangen Therapie. Damit sie die Behandlung auch in der schwierigen Zeit der Pubertät fortsetzen, brauchen sie besonders enge Betreuung.

In den Therapien erzählen viele Jugendliche zum ersten Mal ihre Geschichte mit HIV.

Sie erleben die erste Liebe, rebellieren gegen die Erwachsenen und suchen ihren eigenen Weg: Wenn junge Menschen in die Pubertät kommen, gerät für sie die Welt ins Wanken. Das ist bei den Jugendlichen, die in der Newlands Clinic behandelt werden, nicht anders. Doch zugleich ist alles noch schwieriger. Da ist zum einen ihre HIV-Infektion, die ein grosses Tabu ist und eine lebenslange Therapie erfordert. Und zum anderen leben sie meistens in sehr schwierigen Verhältnissen. Viele haben wegen Aids ihre Eltern verloren und wohnen in einem Heim oder bei Verwandten. Und die Zukunftsaussichten sind düster angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Simbabwe.

Die Klinik als zweites Zuhause

Diese Jugendlichen erhalten in der Newlands Clinic nicht nur medizinische Hilfe, sondern erfahren auch Zuwendung und Respekt. «Unsere Klinik ist ein Zuhause für die Heimatlosen», sagt Pflegefachmann Farai Rusinga, der Kinder und Jugendliche behandelt. Seine Arbeit bedeutet ihm alles, und er kommt regelmässig extra früh in die Klinik, damit seine Schützlinge nach dem Kontrolltermin rechtzeitig in der Schule sind.  «Bei Therapiebeginn sind viele so krank, dass sie den Unterricht nicht mehr besuchen können», erzählt er. Doch das ändere sich zum Glück rasch: «In der Regel sind sie nach einigen Monaten Therapie wieder kräftig genug.» Neben den HIV-Medikamenten erhalten sie als Stärkung vitaminreiches Porridge, und auch wenn das Geld für Essen oder Schule fehlt, hilft die Klinik. Doch das Wichtigste seien Verständnis und Vertrauen: «Ob gut oder schlecht — alles, was in ihrem Leben passiert, bringen sie in die Klinik mit. Wir haben ein offenes Ohr für sie und urteilen nicht», sagt Farai Rusinga, der von seinen Patienten Onkel Farai genannt wird.

Hadern mit der lebenslangen Therapie

Dieses Vertrauensverhältnis ist gerade in der Pubertät unbezahlbar. Dann begreifen die Patienten die ganze Tragweite ihrer HIV- Infektion und dass sie ein Leben lang Medikamente einnehmen müssen. «Viele fühlen sich von ihren Eltern betrogen und wollen wissen, wer schuld ist an ihrer Ansteckung», so Farai Rusinga. Dazu kommen Zukunftsängste: Werde ich je heiraten können? Werden meine Kinder auch HIV-positiv sein? Was geschieht, wenn der Freund oder die Freundin von der Infektion erfährt? Mangelnde Unterstützung, Hoffnungslosigkeit und Ängste sind die wichtigsten Gründe, weshalb viele Jugendliche die Medikamente nicht mehr regelmässig einnehmen. Das ist sehr gefährlich: Die HI-Viren können sich dann rasch unkontrolliert vermehren und oft sogar resistent werden. Wird beim regelmässigen Bluttest eine erhöhte Viruslast festgestellt, gilt es deshalb schnell zu reagieren. In solchen Fällen kommt auch die Psychologin Bahati Kasimonje zum Einsatz.

Gruppentherapien geben neue Hoffnung

«Die psychische Gesundheit unserer Patienten hat einen grossen Einfluss auf die HIV- Therapie», erzählt sie. Jugendliche mit einer schlechten Therapietreue werden mit einer achtwöchigen Gruppentherapie unterstützt. Mit grossem Erfolg: Unsere Auswertungen zeigen, dass alle Jugendlichen, die an mindestens 75 % der Therapiesitzungen teilnehmen, ein Jahr danach eine vollständig unterdrückte Viruslast haben», so Bahati Kasimonje. Das bedeutet, dass das HI-Virus in ihrem Blut nicht mehr nachweisbar ist und sie nicht mehr ansteckend sind. Ohne Gruppentherapie gelang dies nur bei 40 %. Die übrigen Patienten müssen auf andere, teurere Medikamente umstellen, die in Simbabwe nur beschränkt erhältlich sind. «Die Bezugspersonen denken oft, es gehe ja bloss um die Einnahme von ein paar Tabletten», so die Psychologin. «Aber wenn wir die Probleme der Jugendlichen nicht ernst nehmen, wird der Widerstand gegen die Therapie nur grösser.» In den Treffen erklärt sie genau den Zusammenhang zwischen Therapietreue und Viruslast und dass in Simbabwe nicht alle Medikamente erhältlich sind. «Anschliessend entwickeln wir zusammen Ideen, wie sie ihre Therapietreue verbessern können», so die Psychologin. Wichtige Themen sind das Tabu rund um HIV/Aids, das Outing als HIV-positiv sowie Sexualität und Beziehungen.

Ein Netzwerk, das sie auffängt

«Die meisten erzählen bei uns in der Therapie zum ersten Mal ihre persönliche Geschichte mit HIV», sagt Bahati Kasimonje. Das Tabu ist so gross, dass sie oft nicht einmal mit den Familienangehören oder Freunden darüber sprechen können und ihre Medikamente verstecken. Auf dem Klinikgelände gibt es auch einen kleinen Jugendtreff. Manche kommen jeden Tag, weil sie auf sich allein gestellt sind und keine Arbeit haben. So erhalten schliesslich die meisten Jugendlichen ein Netzwerk, das sie durch die schwierige Zeit der Pubertät trägt. Farai Rusinga: «Wenn aus den Waisenkindern junge Frauen und Männer werden, die auf eigenen Beinen stehen, dann ist das der beste Lohn für unsere Arbeit.»