Act against Aids

Jahresbericht: «Wir müssen unsere Behandlung erweitern»

Die HIV-Epidemie breitet sich weiter aus und zusätzliche Risiken wie HIV-assoziierte Krebsarten sowie nicht übertragbare Krankheiten treten immer mehr in den Vordergrund. Unsere medizinische Direktorin Dr. Margie Pascoe erklärt, wie die Newlands Clinic mit diesen Veränderungen umgeht.

Inwiefern hat sich die HIV-Epidemie im südlichen Afrika in den vergangenen 20 Jahren verändert?
Auch wenn die Zahl der HIV-Infektionen drastisch gesunken ist, steht Simbabwe weiterhin den anfänglichen Herausforderungen gegenüber. Noch immer stecken sich zu viele Menschen neu mit HIV an und es gibt viele Patientinnen und Patienten, die an Aids leiden. Aber wir haben auch gute Neuigkeiten! Die Lebenserwartung der Menschen steigt. Denn sie haben einen besseren Zugang zu Tests und die HIV-Behandlung ist für die Patientinnen und Patienten besser verträglich. So müssen sie heute täglich lediglich eine Pille schlucken und haben weniger Nebenwirkungen als bei früheren HIV-Therapien.

Welchen Einfluss hat diese gestiegene Lebenserwartung auf Menschen mit HIV?
Indem sie länger leben, leiden immer mehr HIV-Patientinnen und -Patienten an nicht übertragbaren Krankheiten wie Krebs, Übergewicht, Diabetes oder Bluthochdruck. Zudem schreitet der Alterungsprozess bei Menschen mit HIV schneller voran und sie entwickeln oft früher Altersbeschwerden. Die HIV-Behandlung in der Newlands Clinic ist sehr erfolgreich, aber diese jüngsten Entwicklungen gefährden die unternommenen Anstrengungen. Um die Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten weiterhin zu gewährleisten, müssen wir die Prävention und Therapie von Begleiterkrankungen und Altersbeschwerden in unseren umfassenden Behandlungsansatz integrieren. Dies macht die Arbeit der Newlands Clinic mit HIV-positiven Menschen komplexer.

Inwiefern reagiert die Newlands Clinic auf die Veränderungen der Behandlung von Menschen mit HIV?
Wir haben verschiedene Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen erarbeitet. So bieten wir unsere Patientinnen und Patienten zur Jahreskontrolle auf, wo wir sie vorsorglich auf nicht übertragbare Krankheiten wie Krebs untersuchen. Zudem haben wir das psychiatrische Angebot ausgebaut und legen ein Augenmerk auf psychische Erkrankungen. Des Weiteren bieten wir neu geriatrische Behandlungen für ältere Patientinnen und Patienten an. Dabei untersuchen wir sie auf häufige Altersbeschwerden wie Seh- und Hörprobleme, Demenz, Gebrechlichkeit und sexuelle Funktionsstörungen.

Seit ein paar Jahren kümmert sich die Newlands Clinic gezielter um die Behandlung von HIV-positiven Männern. Was ist der Grund dafür?
HIV betrifft in Afrika Frauen überdurchschnittlich stark, deshalb haben wir uns ihrer Probleme vermehrt angenommen. Aber wenn wir uns nicht besser um die Männer und ihre Bedürfnisse kümmern, kommen sie nicht in unsere Behandlung und so können wir auch die HIV-Epidemie nicht in den Griff bekommen. Deshalb eröffnen wir ein Gesundheitszentrum für Männer, in dem sich ab März 2023 speziell geschultes Personal um die Gesundheit HIV-positiver Patienten kümmert. Das Ziel dieses Gesundheitszentrums ist, die sexuelle und reproduktive Gesundheit der Männer verstärkt zu fördern. Wir bieten spezifisch auf die Männer zugeschnittene Untersuchungen, Diagnosen und Behandlungen von sexuell übertragbaren Krankheiten an.

Welche Rolle spielt die Forschung an der Newlands Clinic im Hinblick auf die aktuellen Veränderungen bei der Behandlung von Menschen mit HIV?
Die Erkenntnisse, die wir dank unserer Forschung gewinnen, lassen wir in die Ausbildung von Gesundheitsfachpersonen einfliessen. So können wir ihren Umgang und die Behandlung der HIV-positiven Patientinnen und Patienten beeinflussen. Damit ist unsere Forschung von nationaler Bedeutung. Zudem präsentieren wir unsere Forschungsergebnisse an nationalen und internationalen Konferenzen zur Verbesserung der Behandlung von Menschen mit HIV weltweit.

Was sind in den kommenden Jahren die grössten Herausforderungen bei der umfassenden Behandlung von HIV?
Es war schon immer schwierig, die Menschen dauerhaft in eine Therapie einzubinden, insbesondere jetzt, wo sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert und die Menschen das Land auf der Suche nach Sicherheit und Arbeit verlassen. Eine weitere grosse Herausforderung ist die Behandlung von nicht übertragbaren Krankheiten, die viel medizinisches Wissen und Ressourcen erfordert. Bezüglich HIV-Medikation hoffen wir auf einfachere Behandlungsmethoden wie beispielsweise Depotspritzen, die vieles erleichtern könnten.

 

HIV in Afrika
Die afrikanische Epidemie unterscheidet sich von der europäischen Epidemie. In Afrika sind vorwiegend heterosexuelle Menschen mit HIV infiziert. Zu den Risikogruppen und Epidemietreibern zählen Sexarbeitende und junge Menschen. Zudem wird die Epidemie durch die schwierige sozioökonomische Situation beschleunigt. Eingeschränkter Zugang zu Diagnostik und Behandlung führt dazu, dass Menschen weit fortgeschrittene HIV-Erkrankungen entwickeln. Die Stigmatisierung von Menschen mit HIV ist zudem stark in der Gesellschaft verankert und hat zur Folge, dass infizierte Menschen oft zu spät Hilfe suchen. Daher erhalten sie erst eine Behandlung, wenn Aids bereits ausgebrochen ist und weitere Leiden wie Krebs dazukommen.